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Pflege und Gesundheit für Unternehmen, Hochschulen, öffentliche Verwaltungen und Institutionen

Angehörige mit Pflegebedarf im Ausland

Amiravita News, 31. Juli 2024
© © EnvatoElements, coffeekai

Angehörige mit Pflegebedarf im Ausland

Wenn Angehörige Im Ausland zu einem Pflegefall werden, steht die Familie vor einer großen Herausforderung. Die geografische Distanz erschwert nicht nur die emotionale Unterstützung, sondern auch die praktische Hilfeleistung. Betroffene sind oft mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, von der Organisation der Pflege über finanzielle Belastungen bis hin zu rechtlichen Fragen. Diese Situation kann eine erhebliche Belastung darstellen, da die Sorge um das Wohlergehen der Angehörigen mit den eigenen alltäglichen Verpflichtungen in Einklang gebracht werden muss.

Bedarf ermitteln und Situation bewerten

Um sicherzustellen, dass die hilfebedürftige Person gut versorgt werden kann, ist es sinnvoll den Bedarf zu ermitteln und dann zu prüfen welche Ressource vor Ort existieren.

Hierbei sollten der Gesundheitszustand und die Möglichkeiten vor Ort betrachtet werden, wobei folgende Fragen gestellt werden können:

  • Welche ärztlichen Diagnosen existieren und ist die medizinische Versorgung angemessen?
  • Gibt es eine Möglichkeit den Pflegebedarf vor Ort professionell ermitteln zu lassen, ähnlich dem medizinischen Dienst, der dies in Deutschland vornimmt?
  • Welche Erkrankungen bestehen und welche Einschränkungen ergeben sich hieraus?
  • Bei welchen Tätigkeiten des Alltags der/die Angehörige Unterstützung?
  • Gibt es Angehörige, Freunde oder Nachbarn, die vor Ort unterstützen können?
  • Wird nur Hilfe im Haushalt oder bei Einkäufen benötigt und wer kann dies begleiten?
  • Gibt es pflegerische Unterstützung, vergleichbar mit Betreuungsdiensten oder Pflegediensten in der Umgebung?

Gesundheitssystem kennen und nutzen

Ist man mit dem Gesundheitssystem des Landes der Angehörigen nicht vertraut, ist es sinnvoll sich im Vorfeld umfangreich zu informieren. Hierbei kann der Frage nachgegangen werden, welche Arten von finanzieller Unterstützung unter welchen Grundvoraussetzungen gezahlt werden können.

Dazu sollte das Gesundheitssystem mit der Finanzierung von pflegerischen oder medizinischen Leistungen bekannt sein. Die Finanzierung wird in einigen Teilen der Welt durch bestehende Kranken- oder Pflegeversicherungen übernommen, während die Versorgung in anderen Ländern durch eine Kombination aus staatlichen und sozialen und Ressourcen finanziert wird.

Um die Kontaktdaten der zuständigen Instanzen vor Ort zu erhalten, können verschiedenen Quellen genutzt werden. Wenn es sich bei dem Land um ein Mitglied der EU handelt, kann mitunter die Nationale Kontaktstelle für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung „EU-Patienten“ in Anspruch genommen werden. Dieses Portal stellt unter anderem eine Sammlung von Kontaktdaten zur Verfügung, die genutzt werden können, um die bestehenden Strukturen zu verstehen. Der Link dazu: https://www.eu-patienten.de

Bei Nicht EU-Ländern ist es sinnvoll, die Botschaft, das Konsulat oder das zuständige Gesundheitsamt vor Ort zu kontaktieren.

Kommunikation und Planung der Versorgung

Nachdem Informationen über Finanzierung und die Möglichkeiten vor Ort gesammelt wurden, erfolgt die Organisation der Versorgung. Beginnen sie zum Beispiel über ein gemeinsames Familiengespräch, bei dem Erwartungen und Verantwortlichkeiten besprochen werden. Es ist sehr wichtig, dass sich die pflegebedürftige Person selbst nicht übergangen fühlt, denn so besteht das Risiko, dass eine gut gemeinte Versorgung nicht als solche wahrgenommen und deswegen aberkannt wird. Teilweise erfordert es Geduld, eine gute gemeinsame Lösung zu finden.

Wenn die Möglichkeiten besprochen wurden, wird ein Pflegeplan erstellt, aus dem detailliert hervorgeht, welche Maßnahmen hilfreich sind und wer in welchem Umfang unterstützt. Eine Kontaktaufnahme mit Anbietern von Pflegeangebote vor Ort hilft dabei zu klären, ob die gewünschte Form der Hilfe möglich ist.

Rechtliche Aspekte

Um Angelegenheiten auch stellvertretend klären zu können, ist es sinnvoll, dass die betroffene Person den Helfenden eine Vorsorgevollmacht ausstellt. Hierbei kann eine deutsche Vorsorgevollmacht im Ausland anerkannt werden, jedoch sind bestimmte rechtliche und formale Voraussetzungen zu beachten. Die notarielle Beglaubigung, eine Apostille und eine beglaubigte Übersetzung können die Anerkennung erheblich erleichtern. Es ist wichtig, sich auch hier über die spezifischen Anforderungen des Ziellandes zu informieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen.

Mögliche Auszeit zur Organisation

Wenn Ihre Angehörigen spontan zum Pflegefall werden, ist es teilweise möglich, dass Sie die sogenannte kurzfristige Freistellung von bis zu 10 Arbeitstagen nutzen, um die Versorgung vor Ort zu klären und zu organisieren. Dies ist auch dann möglich, wenn die Betroffenen nicht in Deutschland leben.  

Um dies zu nutzen, muss es sich entweder um eine neu aufgetretene oder bereits bestehende und sich verschlechternde Pflegesituation handeln, die ambulant neu organisiert werden muss. Außerdem müssen Sie Ihrem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung vorlegen können, aus der die Situation abzuleiten ist.

Wenn die betroffene Person in die deutsche Pflegeversicherung einzahlt, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung in Form einer Pflegeersatzleistung zahlen. Lebt die pflegebedürftige Person im Ausland und es gibt kein vergleichbares Gesundheitssystem, kann die 10-tägige Auszeit nur als eine unbezahlte Freistellung genutzt werden.

Deutsche Pflegeversicherung im Ausland

Voraussetzung dafür, dass die Pflegeversicherung im Ausland eine Leistung erbringt, ist, dass der Leistungsanspruch durch die Kranken-/Pflegeversicherung in Deutschland erworben wurde. Wenn jemand Pflegegeld im Ausland beziehen will, muss er/sie deshalb dieselben Voraussetzungen erfüllen, wie Menschen, die es in Deutschland beziehen:

  • Das bedeutet, dass mindestens ein Pflegegrad 2 vorliegen muss, damit Anspruch auf Pflegegeld entsteht. Ein entsprechender Antrag wird am besten in Deutschland gestellt, damit hier die Begutachtung stattfinden kann.
  • Um Pflegegeld im EU-Ausland zu beziehen, muss die betroffene Person weiterhin in Deutschland krankenversichert sein,
  • Neben dem anerkannten Pflegegrad muss auch regelmäßig der Nachweis über die Durchführung regelmäßiger Beratungseinsätze nach § 37.3 SGB XI erfolgen. Deshalb sollte man sich vorher bei der zuständigen Pflegekasse und vor Ort erkundigen, ob die erforderlichen Beratungseinsätze im jeweiligen Ausland stattfinden können.

Versicherte, die im EU-/EWR-Ausland oder der Schweiz wohnen, können unter den oben genannten Voraussetzzungen, dann das Pflegegeld von ihrer deutschen Pflegekasse ins Ausland gezahlt bekommen.

Pflegesachleistungen werden von deutschen Pflegekassen nicht ins Ausland gezahlt, diese sind von den ausländischen Versicherungsträgern zu leisten. Sieht das ausländische Recht die entsprechende Leistung nicht vor, kann nicht die betreffende Sachleistung, sondern allenfalls das deutsche Pflegegeld im Ausland in Anspruch genommen werden. Für den Fall, dass seitens des ausländischen Trägers Sachleistungen gewährt werden, wird das deutsche Pflegegeld um den Betrag der nach ausländischem Recht erbrachten Pflegesachleistungen gekürzt.

Wohnt die betroffene Person dauerhaft in einem Land außerhalb der EU, werden weder Pflegesachleistungen noch Pflegegeld gezahlt. Es muss am neuen Wohnort eine Kranken- und Pflegeversicherung abgeschlossen werden.

Angehörige in Deutschland versorgen

Alternativ zu einer Versorgung im Heimatland der hilfebedürftigen Person, stellt sich für viele Angehörige die Frage, ob es auch möglich ist, einen Umzug nach Deutschland anzustreben. Auch wenn dies generell möglich ist, müssen einige rechtliche und praktische Aspekte bedacht werden.

Medizinische Unterlagen und Betreuung

Um eine gute medizinische Versorgung zu ermöglichen, sollte darauf geachtet werden, dass relevante Unterlagen wie Arztberichte, Medikamentenpläne oder die pflegerische Übergabe so aktuell wie möglich ist. Hierbei sollten die Möglichkeiten einer ärztlichen Versorgung vor Ort abgeklärt und Termine zeitnah vereinbart werden. Auch die Möglichkeiten einer pflegerischen Unterstützung und die Versorgung mit Hilfsmitteln sollten im Voraus geklärt werden.

Zudem ist es sinnvoll, dass die Unterlagen sowohl in der Landesprache als auch in Deutsch oder einer gängigen EU-Sprache wie Englisch bereitgehalten werden.

Umzug nach Deutschland

Regelungen zum Zuzug ausländischer Angehöriger nach Deutschland sind sehr komplex und würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Generell wird grundsätzlich danach unterschieden, ob der/die Pflegebedürftige aus der EU oder einem Drittstaat zuzieht. Innerhalb der EU gilt die sogenannte Freizügigkeit, dadurch ist der Zuzug hier leichter zu realisieren.

Wir empfehlen, sich in jedem Fall von einem Fachanwalt für Ausländerrecht oder einem Migrationsberatungsdienst beraten zu lassen. Diese Experten können Ihnen helfen, die notwendigen Anträge zu stellen und alle rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Pflegeversicherung bei einem Umzug innerhalb der EU

Damit Leistungen aus Pflegeversicherungen erfolgen können, ist es auch bei einem pflegebedingten Umzug innerhalb der EU relevant, dass die Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst anerkannt wird. Die Art und die Höhe der Leistungen der Pflegeversicherung richten sich wiederrum in der Regel nach den Bestimmungen im Ursprungsland.

Unter Umständen ist es auch möglich, bei einer deutschen Krankenversicherung und damit bei einer deutschen Pflegeversicherung versichert zu werden. Nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit der zuständigen Pflegekasse auf und informieren sich über die genauen Anforderungen und notwendigen Unterlagen.

Blickwinkel der Betroffenen

Die Bewältigung der Situation stellt nicht nur für die organisierenden Angehörigen, sondern auch für die Betroffenen eine hohe Belastung dar. Neben der Tatsache mit den eigentlichen gesundheitlichen Herausforderungen zurecht zu kommen kann es schwer sein, die angebotene Hilfe anzunehmen.

Außerdem ist die Lösung für jeden Menschen einzigartig. Während die einen sich gut mit einer neu organisierten Versorgung im Heimatland anfreunden können, wünschen sich Andere mehr Nähe zu Ihren Angehörigen von außerhalb und sind eher bereit den mutigen Schritt eines Umzugs in ein nicht vertrautes Land zu wagen. Vor Ort können sich jedoch neue Herausforderungen in Form von kulturellen Unterschieden und Problemen in der Verständigung ergeben.

Wichtig ist es die Situation nicht nur praktisch, sondern auch emotional zu beleuchten, um gerade die von der Pflegebedürftigkeit betroffenen so gut wie möglich mitzunehmen.


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