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Pflege und Gesundheit für Unternehmen, Hochschulen, öffentliche Verwaltungen und Institutionen

Teufelskreis Sturzangst

Amiravita News, 14. November 2022

Teufelskreis Sturzangst

Auch ein - nach außen - harmloser Sturz, kann psychische Folgen für die Betroffenen haben. Der erlebte Kontrollverlust und die Schmerzen können einen Rückzug aus dem sozialen Leben nach sich ziehen. Im Alltag wirkt sich dies zunehmend auf den Alltag bzw. die Selbständigkeit der Betroffenen aus.

Gerade in der kalten Jahreszeit beschäftigen sich außerdem viele Artikel und Berichte damit, dass schlechte Straßenverhältnisse das Risiko erhöhen zu stürzen. Es kann dazu kommen, dass Betroffene anschließend unter einer permanenten Angst leiden, erneut zu stürzen, was als Sturzangst bezeichnet wird. Neben den körperlichen Folgen, die gerade für ältere und vorerkrankte Menschen gravierend sein können, zum Beispiel durch Reduzierung der Aktivitäten und daraus folgendem Muskelschwund, gibt es auch psychische Folgen.

Praxisbeispiel:

Erna M. ist 85 Jahre alt und ist stolz und froh darüber, dass sie ihre Einkäufe immer noch selbständig erledigen kann. Nach einem Infekt, der Sie für ein paar Tage ans Bett gefesselt hat, möchte sie dennoch Ihren Wocheneinkauf tätigen. Sie fühlt sich von Beginn an wackelig auf den Beinen und ist erleichtert als Sie mit zwei vollbepacken Taschen auf dem Heimweg ist.

Doch dann tritt sie auf eine Ansammlung von feuchtem Herbstlaub. Ihr Fuß rutscht schnell nach hinten weg und sie stolpert nach vorn. Sie schafft es nicht die Einkaufstaschen loszulassen, schlägt erst auf den Knien auf und fällt dann ungebremst auf das Gesicht. Passanten eilen herbei, helfen ihr sich auf die Seite zu drehen und rufen einen Krankenwagen. Sie erleidet eine Platzwunde an der Stirn und dem Nasenrücken, sowie Prellungen an den Knien und dem Brustkorb. Um ein Schädel-Hirn-Trauma auszuschließen, verbleibt sie zur Beobachtung im Krankenhaus. Außer Kopfschmerzen und Schmerzen an Wunden und Prellungen treten keine weiteren Symptome auf.

Das Umfeld ist erleichtert und froh, dass sie nur mit einem Schrecken davongekommen ist. Doch zu Hause angekommen, erscheint Erna nichts mehr wie früher. Sie denkt mit Schrecken an das Ereignis und hat Angst davor erneut zu stürzen. Was ist, wenn sie sich das nächste Mal etwas bricht und nicht mehr auf die Beine kommt? Kann sie dann nicht mehr allein zu Hause leben? Sie vermeidet es, nach Draußen zu gehen, sitzt viel in Ihrem Lieblingssessel und baut - ohne es zu merken - immer mehr Muskulatur ab. Als ihre Nichte zu Besuch kommt und sie zu einem Spaziergang zum Eiscafé überredet, erschrickt sie darüber, wie unsicher ihre Tante sich bewegt. Sie sucht das Gespräch und gemeinsam überlegen sie, wie man Erna helfen kann.

Auch wenn das Praxisbeispiel zunächst etwas dramatisch wirken mag, sind es häufig die klein wirkenden Ursachen, die große Probleme nach sich ziehen. Nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie müssen im Jahr mehr als 400.000 ältere Menschen nach einem Sturz im Krankenhaus behandelt werden.

Neben der Gefahr, nach einem Sturz direkt zum Pflegefall zu werden, kann es auch durch eine Sturzangst dazu kommen, dass das Sturzrisiko immer weiter ansteigt. Hierbei kommt es zu einem Teufelskreis: Die betroffene Person erlebt einen Sturz, aus der eine Sturzangst entsteht. Diese führt wiederrum dazu, dass die Person sich weniger bewegt, wodurch die Muskulatur abbaut und der Gleichgewichtssinn sich weiter verringert. Dies hat zur Folge, dass es eher zu einem erneuten Sturz kommen kann.

Wie kann der Teufelskreis der Sturzangst durchbrochen werden?

Vorab ist es gut zu wissen, dass Angst nicht immer nur etwas Negatives ist. Optimalerweise soll uns dieses Gefühl -auch wenn es teils irrational wirkt - davor schützen, uns zu verletzen. Doch leider kann Angst auch schädlich sein, wenn sie im Übermaß auftritt und uns geradezu lähmt.

Es ist hilfreich, sich bewusst mit der Angst auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie man ihr entgegenwirken kann. Ein erster Schritt kann sein, mit Menschen zu sprechen die uns ernst nehmen. Versuchen Sie also nicht das Gesagte klein zu reden zum Beispiel Du hattest doch Glück um Unglück, sondern erkennen Sie, dass es Ihre Angehörigen Überwindung kosten kann, über das Erlebte und die Angst zu sprechen. Natürlich kann ein Austausch mit Pflegekräften, Physiotherapeuten oder anderen Betroffenen ein guter Weg sein, wobei dieses Thema nicht nur in Selbsthilfegruppen, sondern auch in regulären Senioren-Treffen Gehör finden kann.

Weitere Schritte helfend dabei, die Sicherheit zu erhöhen und wieder mehr Selbstvertrauen zu gewinnen:

Mobilität fördern: Um weitere Stürze zu vermeiden sollte die Muskulatur möglichst gestärkt und das Gleichgewicht trainiert werden. Bauen Sie kleine Übungen in den Alltag ein, wie z.B. das Balancieren auf einem Bein beim Zähneputzen. Nutzen Sie Bewegungsprogramme wie z.B. (online) Sportgruppen oder Rehasport in Fitnessstudios, die durch Physiotherapeuten betreut werden. Diese Angebote werden unter bestimmten Grundvoraussetzungen von der Krankenkasse finanziell bezuschusst.

Wohnungen auf Stolperfallen überprüfen: Hindernisse und Stolperfallen innerhalb der eigenen vier Wände können das Risiko zu stürzen weiter erhöhen. Überprüfen Sie das Umfeld daher auf Risiken wie z.B. rutschige Teppiche, glatte Böden, lose Kabel oder Höhenunterschiede bei z.B. der Türschwelle.

Gesundheit und aktuelle Medikation: Wann wurde der letzte Gesundheitscheck gemacht? Gibt es Probleme mit dem Blutdruck oder unklarem Schwindel? Auch bestimmte Medikamente können für sich oder in Wechselwirkung zueinander das Risiko zu Stürzen erhöhen. Sprechen Sie daher mit dem behandelnden Hausarzt.  

Festes Schuhwerk: Zu kleine Schuhe mit rutschigen Sohlen können sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen vier Wände das Sturzrisiko erhöhen. Auch lose Hauschuhe die im falschen Zeitraum wegrutschen, können zur Gefahr werden. Ein verändertes Gangbild durch z.B. Arthrose in den Zehengelenken oder Probleme mit den Knien, kann zum Teil durch Schuheinlagen ausgeglichen werden.

Seh- oder Hörhilfen überprüfen: Brillen mit unpassender Sehstärke können -gerade bei einer Erkrankung der Augen - die Gefahr erhöhen, dass z.B. Unebenheiten oder Höhenunterschiede im Boden nicht rechtzeitig erkannt werden. Auch schlecht eingestellte Hörgeräte wirken sich negativ auf die Orientierung aus. Lassen Sie diese Hilfen überprüfen und ggf. anpassen.

Gehilfen und Hilfsmitteln nutzen: Eine weitere Möglichkeit, um die Sicherheit zu erhöhen, kann der Einsatz von Gehhilfen (Rollator, Gehstock, Dreipunkt-Gehstock) oder Hilfen wie einem Einkaufstrolley sein. Ein Rollator hat mitunter den Vorteil, dass es auch möglich ist, sich kurz hinzusetzen, wenn eine Pause notwendig ist. Außerdem können Rollatoren mit Reifen ausgestattet werden, die auch bei glatten Straßenverhältnissen eher greifen.

Hinweis:

Sobald ein Hilfsmittel über eine Hilfsmittelnummer verfügt, kann es vom behandelnden Hausarzt verordnet werden. Dies ist unabhängig davon, ob es bereits einen Pflegegrad gibt oder nicht. Suchen Sie mit Ihren Angehörigen ein Sanitätshaus auf, welches über eine Ausstellungsfläche verfügt. So können die Gehilfen ausprobiert werden.

Grenzen der Sturzprophylaxe:

Leider können nicht alle Einschränkungen im Alter wieder komplett ausgeglichen werden. Unser Stoffwechsel verändert sich mit zunehmendem Lebensalter, wir haben weniger Durst und Hunger und können nicht mehr so viel Muskulatur aufbauen. Dennoch sollte die vorhandene Muskulatur, auch durch eine gute Ernährung, so lange wie möglich aufrechterhalten, werden. Auch wenn manche Veränderungen mit der Zeit akzeptiert werden müssen, ist es wünschenswert so lange wie möglich selbständig und ohne starke Einschränkungen leben zu können.


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