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Inkontinenz: Erkennen verstehen und begleiten

Amiravita News, 17. Juli 2025
© Printemps– stock.adobe.com

Mehr Wissen, mehr Hilfe: Inkontinenz erkennen, verstehen und begleiten

Das Thema Inkontinenz betrifft viele Menschen – besonders im Alter oder im Rahmen einer chronischen Erkrankung. Für Betroffene und Angehörige ist der Umgang damit oft eine große Herausforderung: körperlich, organisatorisch, aber auch emotional. Dabei ist es wichtig zu wissen: Inkontinenz ist kein Tabu, sondern ein häufiges medizinisches Symptom – und es gibt wirksame Hilfen und entlastende Unterstützung.

Hier möchten wir Ihnen einen Überblick geben: Mögliche Ursachen, Inkontinenzformen, praktische Hilfsmittel – und wie Sie als Angehörige einfühlsam begleiten können.

Frühzeitig erkennen: Anzeichen für Inkontinenz

Inkontinenz tritt häufig schleichend auf. Erste Warnzeichen können sein:

  • Häufiger Harndrang – auch nachts
  • Unwillkürlicher Harnverlust beim Husten, Lachen oder Heben
  • Feuchte Kleidung oder nasse Bettwäsche
  • Verändertes Toilettenverhalten (häufiges Gehen, Eile, Vermeidung)
  • Hautreizungen im Intimbereich
  • Unangenehmer Geruch, der nicht angesprochen wird

Beobachten Sie Veränderungen mit Empathie – sprechen Sie liebevoll und nicht vorwurfsvoll an, was Ihnen auffällt.

Inkontinenz als Symptom: Ursachen und Erkrankungen

Inkontinenz ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das viele unterschiedliche Ursachen haben kann.

Dazu gehören:

  • Neurologische Erkrankungen: z. B. Parkinson, Schlaganfall, Multiple Sklerose
  • Demenz: Besonders im mittleren und fortgeschrittenen Stadium verlieren Betroffene das Gefühl für die Blasen- oder Darmkontrolle oder vergessen schlicht, zur Toilette zu gehen
  • Diabetes mellitus: führt durch Nervenschädigung zu Sensibilitätsverlust
  • Harnwegsinfekte, Prostataerkrankungen, Beckenbodenschwäche
  • Medikamentenwirkungen: z. B. durch harntreibende oder muskelentspannende Mittel

Wichtig ist eine ärztliche Abklärung – denn: Inkontinenz ist behandelbar – oft besser, als man denkt!

Inkontinenzformen

Um gezielt zu unterstützen, ist es hilfreich, die häufigsten Inkontinenzarten zu kennen:

  1. Belastungsinkontinenz: Tröpfchenverlust bei körperlicher Belastung (z. B. Husten, Lachen)
  2. Dranginkontinenz (überaktive Blase): starker, plötzlicher Harndrang mit Kontrollverlust
  3. Mischform: Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz
  4. Reflexinkontinenz: unkontrollierter Harnabgang durch neurologische Ursachen
  5. Überlaufinkontinenz: unvollständige Blasenentleerung mit Nachtröpfeln
  6. Stuhlinkontinenz: Verlust der Kontrolle über den Darm

Hilfsmittel, die entlasten – und wo Sie sie erhalten

Es gibt eine Vielzahl moderner, diskreter und wirksamer Hilfsmittel.

Beispiele für Hilfsmittel:

  • Saugfähige Inkontinenzvorlagen & Pants (Tag/Nachtvarianten)
  • Bettschutzunterlagen (waschbar oder Einweg)
  • Anatomisch geformte Einlagen für Männer und Frauen
  • Inkontinenzslips mit Fixierfunktion
  • Ableitende Hilfsmittel wie Katheter, Urinalkondom (in Absprache mit Arzt/Ärztin)

 Bezugsmöglichkeiten:

  • Sanitätshäuser
  • Apotheken
  • Online-Hilfsmittelversorger mit Kassenzulassung

Wichtig: Ihr Hausarzt/in kann Hilfsmittel auf Rezept verordnen! Damit übernimmt in der Regel die Krankenkasse die Kosten. Lassen Sie sich hierzu beraten – Sanitätshäuser helfen oft auch beim Antrag.

Scham und Würde: Sensibel begleiten

Inkontinenz kann für Betroffene mit Scham, Angst und Rückzug verbunden sein. Besonders Menschen mit Demenz oder eingeschränktem Sprachvermögen reagieren oft mit Ablehnung oder Wut.

Was Angehörige tun können:

  • Nicht dramatisieren – aber ernst nehmen: Ruhe und Normalität schaffen Sicherheit.
  • Intimsphäre respektieren: Wenn möglich, gleichgeschlechtliche Pflegepersonen einplanen.
  • Unterstützung aktiv anbieten: z. B. an Toilettengänge erinnern, Kleidung mit einfacher Handhabung wählen
  • Selbstbestimmung erhalten: Toilettenzeiten planen, diskrete Hilfsmittel bereitstellen

Tipp: Verwenden Sie neutrale Begriffe wie „Einlage“, „Hygieneprodukt“ oder „Unterstützung bei der Blasenkontrolle“, um entlastend zu kommunizieren.

Beratung & Unterstützung

Fachliche Beratung erhalten Sie bei:

  • Pflegeberatungsstellen Ihrer Krankenkasse
  • Pflegestützpunkten in Ihrer Region
  • Sanitätshäusern mit Inkontinenzschwerpunkt oder weitere Fachhändler
  • PflegeberaterInnen
  • HausärztInnen und UrologInnen

Nutzen Sie diese Möglichkeiten – viele Angebote sind kostenlos!

                                      Hilfe annehmen ist Stärke, nicht Schwäche

Inkontinenz kann für alle Beteiligten belastend sein – muss es aber nicht. Wer informiert ist und passende Hilfen nutzt, kann Lebensqualität und Selbstständigkeit lange erhalten. Als pflegende Angehörige leisten Sie dabei einen unschätzbaren Beitrag.

Sauberkeit, Hygiene & Geruchsmanagement

Eine Inkontinenz kann nicht nur körperlich und emotional belasten, sondern auch im Alltag sicht- und riechbare Spuren hinterlassen. Besonders Polstermöbel, Matratzen, Kleidung oder Bettwäsche können betroffen sein. Um die Lebensqualität zu erhalten und das Schamgefühl der Betroffenen zu minimieren, ist ein diskreter und hygienischer Umgang mit dem Thema wichtig.

Folgende Hilfsmittel und Produkte können helfen:

  • Schutzauflagen für Matratzen, Sessel und Sofas (z. B. waschbare Unterlagen oder Einmalauflagen)
  • Inkontinenz-Bettschutzbezüge, die Flüssigkeit nicht durchlassen und geruchsabweisend wirken
  • Geruchsneutralisierende Sprays oder Textilreiniger, die gezielt Uringeruch binden, statt ihn zu überdecken
  • Spezielle Waschzusätze und Fleckenentferner, um Rückstände aus Kleidung und Stoffen zu lösen
  • Wasserabweisende Sitzkissen oder Einlagen für Stühle und Rollstühle

Wichtig: Regelmäßiges Waschen und Reinigen von Unterlagen, Kleidung und Bettwäsche beugt nicht nur Gerüchen und Flecken vor, sondern schützt auch die Haut und unterstützt das Wohlbefinden.

Diese Produkte sind in Sanitätshäusern, bei Fachhändlern oder auch online erhältlich – oft in Kombination mit den passenden Inkontinenzartikeln.

Individuelle Produktberatung beim Fachhandel

Neben der Versorgung durch Sanitätshäuser oder Apotheken gibt es auch spezialisierte Fachhändler für Inkontinenzprodukte, die Betroffene und Angehörige sehr individuell beraten. Diese Anbieter nehmen sich Zeit, um die passende Versorgung für jede Lebenssituation zu finden.

Bei einer guten Beratung werden unter anderem folgende Punkte erfragt:

  • Art der Inkontinenz (z. B. Belastungs-, Drang- oder Mischinkontinenz)
  • Tages- oder Nachtbedarf – da nachts häufig saugfähigere Produkte nötig sind
  • Mobilität und Toilettenzugang: Wer z. B. nachts nicht schnell genug zur Toilette kommt, benötigt ggf. größere und saugfähigere Produkte
  • Kleidergröße und Körperform, um Passform und Tragekomfort sicherzustellen
  • Tägliche Trinkmenge, um die durchschnittliche Ausscheidungsmenge besser berechnen zu können
  • Medikamente wie z. B. Diuretika (harntreibende Mittel), die das Ausscheidungsverhalten beeinflussen können

Tipp: Viele Anbieter stellen kostenlose Musterproben zur Verfügung. Diese können Sie testweise tragen lassen, um Tragekomfort, Passform und Saugstärke im Alltag zu prüfen. Passen Sie die Produkte bei Bedarf an – manchmal lohnt es sich, für den Tag und die Nacht verschiedene Varianten zu verwenden.

Wichtig: Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn das erste Produkt nicht gleich ideal passt – professionelle Beratung hilft, die passende Lösung zu finden, die Sicherheit und Würde wahrt.

Pflegehilfsmittelpauschale bei Pflegegrad

Wenn bei der gepflegten Person ein anerkannter Pflegegrad vorliegt, haben Sie als pflegende Angehörige Anspruch auf eine monatliche Pauschale in Höhe von 42 €.

Diese Hilfsmittel erhalten Sie bei den meisten Anbietern für Inkontinenzmaterialien, Sanitätshäusern oder spezialisierten Versandhändlern. Die Anbieter helfen Ihnen auch bei der Antragstellung – oft mit einem einfachen Formular.

Die Kosten übernimmt die Pflegekasse vollständig, es ist kein Eigenanteil erforderlich.

Folgende Artikel können Sie individuell zusammenstellen:

  • Einmalhandschuhe
  • Händedesinfektionsmittel
  • Flächendesinfektionsmittel
  • Fingerlinge
  • Schutzschürzen
  • Mund-Nasen-Schutz
  • Bettunterlagen (waschbar oder Einmalprodukte)

Die Zusammenstellung ist monatlich flexibel anpassbar, je nach Bedarf. Viele Anbieter liefern diese Hilfsmittel direkt und versandkostenfrei nach Hause. Tipp: Lassen Sie sich direkt vom Anbieter beraten – besonders, wenn Sie bereits Inkontinenzprodukte dort beziehen. Oft können beide Bereiche (Inkontinenzversorgung & Pflegehilfsmittel) gemeinsam verwaltet werden.

Therapien

Bei Inkontinenz gibt es eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten, abhängig von der Art der Inkontinenz, dem Schweregrad, dem Alter, Begleiterkrankungen und den individuellen Lebensumständen.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Therapien – sowohl bei Harninkontinenz als auch bei Stuhlinkontinenz:

1. Verhaltenstherapie / Toilettentraining

  • Blasentraining: Regelmäßiges Wasserlassen nach Plan (z. B. alle 2 Stunden), um die Blasenkontrolle zu verbessern.
  • Drangkontrolle: Strategien zur Unterdrückung von Harndrang (Ablenkung, Atemtechniken).
  • Toilettentraining: Besonders bei Demenz oder eingeschränkter Mobilität – regelmäßige Toilettengänge mit Unterstützung.

2. Beckenbodentraining

  • Ziel: Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur zur besseren Kontrolle über Blase und Darm.
  • Anleitung durch PhysiotherapeutInnen oder spezialisierte KontinenztrainerInnen.
  • Auch als Gruppenkurs oder digital (z. B. über Apps) möglich.

3. Medikamentöse Behandlung
Immer unter ärztlicher Aufsicht – besonders bei älteren Menschen mit mehreren Medikamenten (Wechselwirkungen!).

  • Anticholinergika / Spasmolytika: Bei überaktiver Blase/Dranginkontinenz.
  • Östrogenpräparate (lokal): Bei postmenopausalen Frauen zur Unterstützung der Schleimhäute.
  • Alpha-Blocker oder Antidepressiva: In bestimmten Fällen (z. B. bei Männern mit Prostataproblemen).
  • Laxanzien: Bei Stuhlinkontinenz durch chronische Verstopfung.

4. Hilfsmittel und unterstützende Produkte

Zur Ergänzung der Therapie, nicht als alleinige Behandlung

  • Einlagen, Pants, Katheter, Klemmen, Anal-Tampons, Trinkprotokolle
  • Toilettenstühle, Nachtlicht, Toilettensitzerhöhungen

5. Biofeedback und Elektrostimulation

  • Biofeedback: Sichtbarmachung der Muskelaktivität zur besseren Kontrolle des Beckenbodens.
  • Elektrostimulation: Reizstromgeräte, die gezielt Beckenbodenmuskeln aktivieren.

6. Operative Verfahren

Nur bei schwerer oder therapieresistenter Inkontinenz – Beispiele:

  • TVT-Band (bei Belastungsinkontinenz der Frau)
  • Blasenschrittmacher / Sakralnervenstimulation
  • Künstlicher Schließmuskel
  • Prostataoperationen bei Männern

7. Ernährungs- & Flüssigkeitsanpassung

  • Reduktion von reizenden Getränken (Koffein, Alkohol, säurehaltige Säfte)
  • Regelmäßige, kontrollierte Trinkmengen (weder zu viel noch zu wenig)
  • Ballaststoffreiche Ernährung bei Stuhlinkontinenz

8. Psychosoziale Begleitung

  • Besonders wichtig bei Scham, sozialem Rückzug oder psychischer Belastung
  • Beratung durch KontinenzberaterInnen, UrologInnen, GynäkologInnen oder Fachpflege
  • Gespräche mit PsychologInnen, insbesondere bei Inkontinenz im Rahmen von Demenz, Depression oder nach traumatischen Erfahrungen

Sprechen Sie mit dem Hausarzt, holen Sie sich Rat.

Inkontinenz und Trinken im Sommer

Gerade im Sommer ist es für Menschen mit Inkontinenz besonders wichtig, ausreichend zu trinken. Durch die Hitze verliert der Körper mehr Flüssigkeit über das Schwitzen, weshalb mindestens 1,5 bis 2 Liter pro Tag empfohlen werden.

Viele Betroffene neigen dazu, unterwegs weniger zu trinken, um Toilettengänge zu vermeiden. Das ist jedoch keine gute Lösung: Zu wenig Flüssigkeit führt dazu, dass der Urin stark konzentriert wird, was die Blase zusätzlich reizt und den Harndrang sogar verstärken kann. Außerdem werden schädliche Stoffe und Bakterien nicht ausreichend ausgespült, was das Risiko für Harnwegsinfektionen und Nierenschäden erhöht. Auch Kreislaufprobleme und eine Verschlechterung der allgemeinen Gesundheit können die Folge sein, besonders bei hohen Temperaturen.

Deshalb gilt: Regelmäßiges und ausreichendes Trinken ist auch bei Inkontinenz entscheidend, um gesund und leistungsfähig zu bleiben – gerade auch, wenn Sie unterwegs sind!

 

Lesen Sie hierzu auch: Trinken! Tipps für mehr Flüssigkeitszufuhr


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