Urlaub mit gutem Gewissen: So gelingt die Auszeit für Angehörige

Warum pflegende Angehörige auch auf sich selbst achten und ohne schlechtes Gewissen Urlaub machen sollten
Die Pflege eines nahestehenden Menschen ist eine der größten Herausforderungen, denen sich Angehörige stellen können – sie ist oft rund um die Uhr präsent, emotional intensiv und körperlich fordernd. Viele übernehmen diese Aufgabe aus tiefer Zuneigung, Verantwortung und familiärer Verbundenheit. Doch wer dauerhaft über seine eigenen Grenzen geht, riskiert nicht nur die eigene Gesundheit – sondern auch die Qualität der Pflege. Umso wichtiger ist es, sich selbst nicht zu vergessen. Urlaub oder eine Auszeit zu nehmen, ist dabei kein Zeichen von Egoismus – sondern ein Akt der Fürsorge. Für beide Seiten.
Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit
Pflegende Angehörige stehen häufig unter Dauerstress. Körperliche Erschöpfung, seelische Belastungen, Schlafmangel und soziale Isolation gehören für viele zum Alltag. Wird diese Belastung zur Dauerbelastung, kann sie ernste Folgen haben: Burnout, Depressionen, Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind keine Seltenheit.
Wer langfristig für andere da sein will, muss auch für sich selbst sorgen. Das heißt: Pausen einlegen, neue Kraft schöpfen und sich bewusst Zeit für Regeneration nehmen. Urlaub ist in diesem Zusammenhang kein Luxus, sondern notwendig, um die eigene physische und psychische Gesundheit zu erhalten.
Schluss mit dem schlechten Gewissen!
Trotzdem plagt viele pflegende Angehörige das schlechte Gewissen, wenn sie an Urlaub denken. Gedanken wie „Ich lasse meinen Angehörigen im Stich“ oder „Darf ich das überhaupt?“ sind weit verbreitet. Diese Zweifel sind menschlich – aber unbegründet. Denn ein Mensch, der sich regelmäßig erholt, ist stabiler, belastbarer und kann besser für andere da sein. Selbstfürsorge bedeutet nicht, die Verantwortung abzugeben – sondern sie langfristig überhaupt aufrechterhalten zu können.
Möglichkeiten zur Entlastung: Wer springt ein, wenn ich weg bin?
Ein Urlaub muss nicht das Ende der Versorgung bedeuten. Es gibt in Deutschland verschiedene Möglichkeiten, die Pflege während einer Auszeit zu organisieren:
Ambulante Pflegedienste
Pflegedienste übernehmen tageweise oder stundenweise (zusätzliche) Aufgaben wie Körperpflege, Medikamentengabe oder Haushaltsführung. Die Abrechnung erfolgt über Pflegesachleistungen, den Entlastungsbetrag oder die Verhinderungspflege. Für Maßnahmen wie Medikamentengaben benötigt es eine Verordnung vom Arzt, der Ärztin.
Pflege durch andere Angehörige oder Freunde
Familienmitglieder oder Bekannte können kurzfristig einspringen. Auch hier ist eine Entschädigung über Verhinderungspflege (ab 1. Juli Entlastungsbudget) möglich.
24-Stunden-Betreuung
Betreuungskräfte aus Osteuropa übernehmen häusliche Pflege rund um die Uhr. Die Organisation erfolgt meist über Agenturen – hier gilt es, auf faire Arbeitsbedingungen zu achten. Die meisten Vermittlungsagenturen vermitteln jedoch nur für mindestens 4 Wochen. Auch hier kann für die Finanzierung das Budget der Verhinderungspflege eingesetzt werden. Dies ist eine mögliche Alternative, wenn Ihr Angehöriger lieber in seinem Zuhause versorgt werden möchte und der Bedarf durch andere Dienstleister nicht abgedeckt werden kann oder es keine Kapazitäten an Kurzzeitpflegeplätzen gibt.
Kurzzeitpflege
Kurzzeitpflege ist eine besonders wichtige Entlastungsmöglichkeit, wenn pflegende Angehörige eine längere Auszeit benötigen oder plötzlich verhindert sind. Dabei wird die pflegebedürftige Person vorübergehend – für bis zu 8 Wochen im Jahr – vollstationär in einer dafür spezialisierten Einrichtung betreut. Die Kurzzeitpflege eignet sich besonders, wenn der Pflegebedarf vorübergehend höher ist, zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt, oder wenn die häusliche Pflege nicht sichergestellt werden kann.
Tages- und Nachtpflege
Pflegebedürftige verbringen tagsüber oder nachts Zeit in einer Einrichtung – eine flexible Möglichkeit, Angehörige stundenweise zu entlasten.
Tipp: Viele Einrichtungen sind auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz oder anderen speziellen Anforderungen eingestellt. Informieren Sie sich frühzeitig über freie Plätze und reservieren Sie rechtzeitig, insbesondere in Ferienzeiten.
Finanzierung der Pflegevertretung
Leistungen und Finanzierung:
- Die Kosten für die Pflege übernimmt die Pflegekasse teilweise bis zu einem festgelegten Höchstbetrag (ab Juli 2025 im Rahmen des neuen Entlastungsbudgets).
- Unterkunft und Verpflegung müssen meist privat getragen werden, können aber ggf. durch zusätzliche Leistungen oder Sozialhilfe unterstützt werden.
- Die Kurzzeitpflege lässt sich flexibel mit anderen Entlastungsangeboten kombinieren, etwa der Verhinderungspflege. Ab ersten Juli werden diese Budgets ohnehin zusammengelegt.
Entlastungsbudget (ab Juli 2025)
Ab Juli 2025 werden die bisherigen Budgets für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Entlastungsbudget zusammengeführt. Dieses beträgt 3.539 € jährlich und kann flexibel für verschiedene Entlastungsangebote eingesetzt werden – zum Beispiel für längere Auszeiten oder mehrere kürzere Erholungsphasen über das Jahr verteilt. Die bisherige Vorpflegezeit von 6 Monaten entfällt.
Entlastungsbetrag
Viele Angehörige nutzen ihn bisher nicht – dabei kann der monatliche Entlastungsbetrag von 131 € wertvolle Unterstützung bieten:
- Verwendung: Für Betreuungsangebote, haushaltsnahe Dienstleistungen oder stundenweise Entlastung durch Alltagshelfer.
- Anbieter: Zahlreiche zertifizierte Dienste rechnen direkt mit der Pflegekasse ab.
- Hinweis: Falls der Betrag im Vorjahr nicht genutzt wurde, kann er angespart werden – verfällt jedoch jeweils zum 30. Juni des Folgejahres. Prüfen Sie also rechtzeitig, ob Sie noch Guthaben aus dem Vorjahr haben.
- Tipp: Auch zusätzlich zum regulären Monatsbetrag kann dieses Budget gezielt zur Entlastung rund um eine Auszeit eingesetzt werden.
Urlaub gemeinsam gestalten: Reisen mit Pflegebedürftigen
Manchmal möchten pflegende Angehörige ihre Liebsten nicht zurücklassen – und das müssen sie auch nicht. Ein gemeinsamer Urlaub ist mit entsprechender Vorbereitung möglich und kann beiden Seiten guttun.
Barrierefreier Urlaub
Immer mehr Hotels, Ferienwohnungen und Reiseanbieter haben sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Pflegebedarf eingestellt:
- barrierefreie Bäder, Haltegriffe, ebenerdige Zugänge
- Pflegebetten, Notrufsysteme und rutschfeste Böden
- rollstuhlgerechte Unterkünfte in attraktiven Urlaubsregionen
Unterstützung vor Ort
Spezialisierte Anbieter ermöglichen es, Pflegehilfsmittel wie Rollstuhl, Duschstuhl oder Lifter direkt vor Ort zu mieten. Auch mobile Pflegedienste oder Tagespflegeeinrichtungen können vorübergehend genutzt werden – für mehr Freiheit und echte Erholung im Urlaub.
Pflegehotels und betreute Reisen
Es gibt inzwischen spezialisierte Pflegehotels und Reiseveranstalter, die sich auf Urlaub mit Pflegebedürftigen spezialisiert haben. Hier stehen geschultes Pflegepersonal, medizinische Versorgung und barrierefreie Ausstattung zur Verfügung. So können Sie als Angehöriger entspannen, während Ihr Familienmitglied professionell betreut wird – und gemeinsame Zeit bleibt dennoch möglich.
Freizeitangebote und Erholung für beide
Viele Urlaubsregionen bieten Freizeitaktivitäten, die auch für Menschen mit Einschränkungen geeignet sind – von geführten Ausflügen über barrierefreie Wanderwege bis hin zu kulturellen Veranstaltungen. So können Sie gemeinsam neue Eindrücke sammeln und schöne Erinnerungen schaffen.
Link: https://www.amiravita.de/aktuelles/urlaub-mit-pflegebeduerftigen
Frühzeitige Planung ist der Schlüssel
Damit die Auszeit gelingt, ist eine gute Organisation entscheidend:
- rechtzeitige Reservierung geeigneter Unterkünfte
- Abstimmung mit dem Pflegedienst oder der Kurzzeitpflege
- Hilfsmittelbestellung bei Sanitätshäusern am Urlaubsort
- Kontakt mit der Pflegekasse, um Leistungen zu beantragen oder zu kombinieren
Ab Juli stehen zudem höhere Beträge für die Organisation von Pflegevertretung zur Verfügung – es lohnt sich, hier rechtzeitig Informationen einzuholen.
Urlaub mit gutem Gewissen: So gelingt die Auszeit für Angehörige
Viele pflegende Angehörige zögern, sich eine Pause zu gönnen – aus Sorge, etwas falsch zu machen oder den geliebten Menschen im Stich zu lassen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Wer sich Auszeiten nimmt, sorgt dafür, dass die Pflege auch langfristig liebevoll und kompetent bleibt.
Tipps für eine entspannte Auszeit:
- Planen Sie frühzeitig und beziehen Sie alle Beteiligten ein.
- Nutzen Sie die Beratungsangebote
- Sprechen Sie offen mit Ihrem Angehörigen über Ihre Bedürfnisse – oft gibt es mehr Verständnis, als Sie denken.
- Vertrauen Sie darauf, dass professionelle Pflegekräfte eine gute Versorgung sicherstellen.
- Erlauben Sie sich, die Zeit für sich zu genießen und neue Kraft zu schöpfen.
Fazit: Auszeit ist Fürsorge
Pflegende Angehörige sind das Rückgrat des deutschen Pflegesystems – doch auch das stärkste Rückgrat braucht Entlastung. Wer sich Erholung gönnt, handelt nicht verantwortungslos, sondern vorausschauend. Es ist keine Schwäche, sich Zeit für sich zu nehmen – es ist ein Zeichen von Stärke und Verantwortung. Denn nur wer selbst gesund bleibt, kann dauerhaft für andere da sein.
„Sich selbst etwas Gutes zu tun ist kein Luxus – es ist Pflege in ihrer umfassendsten Form.“