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Förderung der Sinne bei Demenz

Amiravita News, 22. Oktober 2025
© Dan Race – stock.adobe.com

Förderung der Sinne bei Demenz

Basale Stimulation für pflegende Angehörige – Nähe, Wahrnehmung und Zuwendung einfach anwenden

Was ist Basale Stimulation?

Wenn ein geliebter Mensch durch Krankheit, Alter oder Behinderung kaum noch spricht, sich wenig bewegt oder kaum auf die Umgebung reagiert, kann der Kontakt zur Welt verloren gehen. Als pflegende Angehörige erleben Sie vielleicht Unsicherheit: Wie kann ich noch erreichen, was mein Angehöriger braucht oder fühlt?

Basale Stimulation ist ein einfaches, liebevolles Konzept, das dabei hilft, über sinnliche Reize wie Berührung, Gerüche, Musik oder Bewegung wieder Nähe und Wahrnehmung zu ermöglichen. Es wurde ursprünglich für Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung entwickelt, eignet sich aber genauso im häuslichen Pflegealltag – z. B. bei:

  • Demenz
  • schwerer Pflegebedürftigkeit
  • Bettlägerigkeit
  • Wachkoma / Bewusstseinsstörungen
  • Sterbebegleitung

Ziel: Die basale Stimulation fördert das Körpergefühl, schafft Orientierung und ermöglicht emotionale Verbindung – auch ohne Worte.

Warum Basale Stimulation so wertvoll ist

Basale Stimulation spielt in der Pflege von Menschen mit Demenz eine besonders wertvolle Rolle. Sie vermittelt Sicherheit, Geborgenheit und Orientierung in einer Welt, die für Betroffene oft verwirrend und unverständlich erscheint. Durch gezielte, einfache Berührungen und achtsame Zuwendung können Schmerzen, Ängste oder Unruhe spürbar gelindert werden. Zugleich fördert die Basale Stimulation kleine, aber bedeutungsvolle Reaktionen – etwa ein Lächeln, ein kurzer Blickkontakt oder ein erleichterter Seufzer. Diese Momente zeigen, dass Kommunikation und Empfindung trotz kognitiver Einschränkungen möglich bleiben. Darüber hinaus entsteht durch die gemeinsame Erfahrung von Berührung und Nähe eine besondere Verbindung zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen. Die Methode ist leicht umsetzbar, erfordert keine Hilfsmittel und entfaltet dennoch eine erstaunliche Wirkung, wenn sie mit Achtsamkeit und Respekt angewendet wird.

Die wichtigsten Formen der Basalen Stimulation – mit praktischen Beispielen

Basale Stimulation ist ein Konzept zur Förderung von Wahrnehmung und Kommunikation, insbesondere bei Menschen mit schweren Beeinträchtigungen. Sie basiert auf der Anregung der Sinne, um die Körper- und Umweltwahrnehmung zu unterstützen.

Hier die wichtigsten Arten der Basalen Stimulation – mit leicht umsetzbaren Beispielen für den Pflegealltag zu Hause:

  1. Taktil-haptische Stimulation
    Anregung des Tastsinns (Haut) und des Fühlens durch Berührung und Bewegung. Beispiele:
  • Sanftes Streicheln der Hände oder Arme
  • Bürstenmassage mit einem Igelball
  • Einwickeln in eine warme Decke zur Beruhigung
  • Fühlen von verschiedenen Materialien (Sand, Wolle, Holz, Stoff)
  1. Visuelle Stimulation
    Anregung des Sehsinns (Augen). Beispiele:
    • Leuchtende oder kontrastreiche Objekte zeigen
    • Einen Spiegel zur Selbstwahrnehmung nutzen
    • Farbige Tücher langsam vor den Augen bewegen
    • Eine kleine Lichterkette anbringen (besonders im Winter beruhigend)
  2. Auditive Stimulation
    Anregung des Hörsinns (Ohren). Beispiele:
  • Ruhige Musik oder Naturgeräusche vorspielen
  • In sanftem Ton in der Nähe des Ohrs sprechen
  • Eine Klangschale erklingen lassen
  • Rasseln oder Glöckchen sanft nutzen
  1. Olfaktorische Stimulation
    Anregung des Geruchssinns (Nase). Beispiele:
  • Duftöle wie Lavendel oder Zitrone riechen lassen
  • Gerüche von Speisen (z.  frischer Kaffee, gebackenes Brot)
  • Duftende Blumen ins Zimmer stellen
  • Aromalampe mit vertrautem Duft verwenden
  1. Gustatorische Stimulation
    Anregung des Geschmackssinns (Mund). Beispiele:
    • Kleine Mengen süß, sauer, salzig oder bitter probieren lassen
    • Lutschen an Eiswürfeln oder Obststücken
    • Aromatisierte Getränke in kleinen Mengen geben
    • Bekannte Lieblingsspeisen anbieten (wenn medizinisch möglich)

  2. Vibratorische Stimulation
    Anregung des Vibrationssinns und der Tiefensensibilität. Beispiele:
  • Elektrische Zahnbürste (mit Gummikappe) sanft auf den Arm legen
  • Klangschale auf Bauch oder Bein stellen und anschlagen
  • Vibration vom Handy kurz auf der Hand spürbar machen

So wenden Sie Basale Stimulation im Alltag an

  • Vorher ankündigen, was Sie planen
    Auch wenn keine Antwort kommt: Sprechen Sie mit Ihrem Angehörigen. Beispiel: „Ich streiche dir jetzt vorsichtig den Arm entlang.“
  • Ruhige Umgebung schaffen
    Lautes Radio, Fernsehen oder viele Gespräche gleichzeitig können überfordern.
  • Weniger ist mehr
    Ein Reiz pro Moment reicht. Beobachten Sie: Was tut gut? Was beruhigt?
  • Geduld mitbringen
    Nicht jeder Reiz wirkt sofort. Auch keine sichtbare Reaktion heißt nicht, dass nichts ankommt.
  • Mit Herz und Achtsamkeit
    Die beste Wirkung erzielen Sie nicht durch Technik – sondern durch Zuwendung.

Wann sollten Sie vorsichtig sein?

Bei der Anwendung der Basalen Stimulation ist Aufmerksamkeit und Sensibilität besonders wichtig. Pflegende sollten stets behutsam vorgehen und die Reaktionen der betreuten Person genau beobachten. Zeigen sich Anzeichen von Schmerz, Abwehr oder Unruhe – etwa ein Zurückzucken, ein veränderter Atemrhythmus oder ein angespannter Gesichtsausdruck –, sollte die Maßnahme sofort unterbrochen werden. In solchen Momenten ist es wichtig, der betroffenen Person Zeit zu geben und erst dann fortzufahren, wenn sie wieder Entspannung oder Zustimmung signalisiert.

Auch bei bestimmten Erkrankungen, beispielsweise bei Epilepsie, neurologischen Störungen oder akuten Entzündungen, ist Vorsicht geboten. In solchen Fällen empfiehlt es sich, vorab ärztlichen Rat einzuholen oder Rücksprache mit dem therapeutischen Team zu halten, um mögliche Risiken auszuschließen.

Grundsätzlich sollten Reize stets maßvoll eingesetzt werden. Zu intensive Düfte, grelles Licht oder übermäßige Berührungsreize können Menschen mit Demenz schnell überfordern und zu Unruhe führen. Ziel ist es, eine angenehme, ruhige Atmosphäre zu schaffen, in der die Betroffenen sich sicher, respektiert und wohl fühlen.

Erfahrungsbericht einer pflegenden Angehörigen:

Wie ich Basale Stimulation bei meiner Großmutter einsetze

Ich bin nicht nur Pflegeberaterin, sondern auch pflegende Angehörige – und schreibe diesen Bericht nicht aus der Theorie heraus, sondern aus täglicher Erfahrung mit meiner eigenen Familie.

Meine Oma ist 88 Jahre alt und lebt schon seit vielen Jahren mit einer Depression. Irgendwann kam eine Demenz hinzu, die inzwischen mittelschwer ausgeprägt ist – mit besseren und schlechteren Tagen. Oft erlebt sie Angst- oder Panikattacken, kann sich nur schwer mitteilen, und wir als Familie verstehen sie nicht immer. Das ist manchmal sehr belastend – für sie, aber auch für uns.

In solchen Momenten nutzen wir die Basale Stimulation, vor allem dann, wenn wir auf anderen Wegen keinen Zugang zu ihr finden. Wir möchten sie entweder beruhigen oder etwas beleben – je nachdem, was sie gerade braucht.

Vor einiger Zeit haben wir einen Raumvernebler angeschafft. Je nach Stimmung träufeln wir etwas Lavendelöl (zur Beruhigung) oder frische Zitrusdüfte hinein. Der Vernebler gibt zusätzlich ein sanftes Licht ab, das sich in Farben ändern lässt – so entsteht eine warme, angenehme Atmosphäre. Diese Reize wirken oft viel stärker, als Worte es könnten.

Ein besonders schöner Moment war, als sie sehr unruhig war und wir sie mit einem Familienfotoalbum nicht erreichen konnten. Ich erinnerte mich an ihre Leidenschaft fürs Handarbeiten und suchte alte Wollreste aus ihren "guten Zeiten" heraus. Ich schnitt zwei Pappringe aus und zeigte ihr, wie man Bommeln wickelt – etwas, das sie früher oft gemacht hatte.

Sie nahm die weiche Wolle in die Hand, spürte den vertrauten Griff, und plötzlich kamen alte Erinnerungen zurück. Sie begann konzentriert zu wickeln, und die Unruhe wich einer sichtbaren Ruhe. Es war, als hätte sie für einen Moment wieder zu sich selbst gefunden.

Ein anderes Mal spielte ich ihre Lieblingsmusik ab – ganz leise, erst im Hintergrund. Anfangs bewegte sie nur einen Finger im Takt. Dann das Bein. Und plötzlich stand sie auf, lachte laut und forderte mich tatsächlich zum Tanzen auf. Das war ein bewegender Moment, den ich nicht vergessen werde.

In manchen Momenten ist aber auch ein sanftes Streicheln ihrer Hände viel wert. Es braucht keine großen Mittel – allein diese kleine Geste vermittelt ihr oft Geborgenheit und Sicherheit, besonders an ängstlichen Tagen.

Gerne bringe ich ihr auch einen Blumenstrauß mit. Aber ich stelle ihn nicht einfach nur hin – ich gebe ihn ihr in die Hand, lasse sie daran riechen, und sie strahlt. Es ist dieser Moment, in dem sie wieder ganz da zu sein scheint. Diese kleinen, sinnlichen Erlebnisse erreichen sie oft mehr als lange Gespräche.

Diese Erfahrungen zeigen mir immer wieder, wie wichtig es ist, bei der Basalen Stimulation auch die Biografie zu berücksichtigen: Was hat der Mensch früher geliebt? Was war ihm vertraut? Welche Sinne haben ihn begleitet?

Fazit: Nähe durch einfache Mittel

Basale Stimulation ist kein Wundermittel, aber ein Weg zu echter Nähe – auch dann, wenn Sprache nicht mehr möglich ist. Sie erfordert kein Spezialwissen, sondern vor allem: Zeit, Achtsamkeit und Liebe.

Selbst ein kurzer Moment – eine bewusste Berührung, ein vertrauter Duft oder ein leiser Klang – kann Ihrem Angehörigen helfen, sich wahrgenommen und sicher zu fühlen.


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