Chronische Schmerzen - Umgang, Linderung und Unterstützung
Chronische Schmerzen – Umgang, Linderung, Unterstützung
Schmerz ist laut der International Association for the Study of Pain (IASP) ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung verbunden ist. Schmerz umfasst sowohl die körperliche Wahrnehmung als auch eine emotionale Komponente, die das Erleben zusätzlich beeinflusst.
Historisch galt Schmerz als überlebenswichtiges Warnsignal des Körpers. Heute wissen wir, dass Schmerz weit mehr ist – ein subjektives Erleben, das durch das komplexe Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren beeinflusst wird.
Wenn Schmerz zum Alltag wird
Chronische Schmerzen unterscheiden sich von akuten Schmerzen: Sie dauern länger als 3 bis 6 Monate an oder treten immer wieder auf. Ursachen sind häufig Erkrankungen wie Arthrose, Rheuma oder Nervenschäden, aber auch Verletzungen oder Operationen. Manchmal bleibt die Ursache unklar.
Diese Schmerzen betreffen meist Rücken, Gelenke, Nerven oder den Kopf und wirken sich nicht nur körperlich aus, sondern auch auf Schlaf, Stimmung, Konzentration und soziale Teilhabe. Stress und psychische Belastungen können die Schmerzen zusätzlich verstärken.
Wer mit chronischen Schmerzen lebt, braucht mehr als Medikamente: Ein bewusstes Körpergefühl, Verständnis und praktische Strategien helfen, die Schmerzen im Alltag besser zu bewältigen und die Lebensqualität zu erhalten.
Der erste Schritt: Schmerzen verstehen lernen
Ein bewährtes Mittel, um den eigenen Schmerzen besser zu begegnen, ist ein Schmerztagebuch. Es hilft dabei:
- Verläufe sichtbar zu machen: Wann treten die Schmerzen auf? Wie stark sind sie? Wie lange dauern sie an?
- Auslöser zu erkennen: Gibt es bestimmte Tätigkeiten, Wetterlagen oder emotionale Zustände, die Schmerzen verstärken oder lindern?
- Wirkung von Maßnahmen zu überprüfen: Welche Übungen, Medikamente oder Ruhephasen helfen tatsächlich?
Ein einfaches Schmerztagebuch kann helfen, den Schmerz besser zu verstehen und gezielt zu behandeln. Es enthält in der Regel Spalten für Datum und Uhrzeit, Schmerzort und -art, Schmerzstärke (zum Beispiel auf einer Skala von 0 bis 10), mögliche Auslöser, eingenommene Medikamente, weitere Maßnahmen wie Wärme, Ruhe oder Bewegung sowie die beobachtete Wirkung oder Veränderung. Diese Form der Dokumentation unterstützt nicht nur die Selbstwahrnehmung, sondern kann auch eine wertvolle Grundlage für die ärztliche oder therapeutische Begleitung sein.
Schmerzen erkennen, wenn Worte fehlen – Schmerzbeurteilung bei Demenz
Bei Menschen mit Demenz ist die Erkennung von Schmerzen besonders anspruchsvoll, da viele ihre Beschwerden nicht mehr sprachlich mitteilen können. Stattdessen äußern sich Schmerzen häufig über Körpersprache, Verhalten oder Stimmung und bleiben dadurch leicht unentdeckt. Mögliche Hinweise sind Unruhe, häufiges Positionswechseln, Grimassen, veränderte Mimik, angespannte Körperhaltung, Rückzug, plötzliche Aggressivität, Weinen, Stöhnen oder Schreien. Auch Veränderungen beim Essen, Schlafen oder in der Beweglichkeit können Anzeichen für Schmerzen sein.
Für die strukturierte Einschätzung bei fortgeschrittener Demenz wird die sogenannte BESD-Skala (Beurteilung von Schmerzen bei Demenz), auch PAINAD genannt, verwendet. Die Bewertung basiert auf beobachtbaren Merkmalen wie Atmung, Lautäußerungen, Gesichtsausdruck, Körpersprache und Trostbarkeit. Nach einer mindestens zweiminütigen Beobachtung wird ein Punktwert zwischen 0 und 10 vergeben – ab einem Wert von 2 ist von bestehenden Schmerzen auszugehen. Regelmäßige Beobachtung, Zeit und Aufmerksamkeit sind entscheidend, um Schmerzen bei Menschen mit Demenz zu erkennen und zu lindern.
Fachärztliche Expertise und spezialisierte Schmerztherapie
Bei chronischen Schmerzen empfiehlt es sich, spezialisierte Schmerzexperten beziehungsweise Schmerzmediziner aufzusuchen. Diese Fachärzte verfügen über eine spezielle Weiterbildung in Schmerztherapie und bieten oft eine multimodale Behandlung, die verschiedene medizinische, psychologische und physikalische Therapieformen kombiniert.
Folgende Anlaufstellen und Experten sind relevant:
- Schmerzkliniken und Schmerzzentren, bieten interdisziplinäre ambulante und stationäre Behandlungen an, betreut von Teams aus Ärzten, Psychologen und Therapeuten.
- Schmerzmediziner mit Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“, die sich intensiv auf die Behandlung chronischer Schmerzen spezialisiert haben. Sie arbeiten oft interdisziplinär und können medikamentöse, physikalische und psychologische Therapieformen kombinieren.
- Je nach Schmerzart werden zusätzlich Fachärzte für Orthopädie, Neurologie, Anästhesiologie, Internisten oder Psychiater mit einbezogen.
Ihr erster Schritt kann die Konsultation Ihres Hausarztes, Ihrer Hausärztin sein, der Sie gezielt an einen Schmerztherapeuten oder eine Schmerzklinik überweisen kann.
Sanfte Wege aus dem Schmerz – Nicht-medikamentöse Schmerztherapie
Schmerzen müssen nicht immer mit Tabletten bekämpft werden. Viele Menschen setzen heute auf ergänzende oder alternative Methoden – oft in Kombination mit klassischer Medizin. Die folgenden Verfahren haben sich in der Praxis bewährt:
Thermotherapie bei Schmerzen
Die Thermotherapie wird meist ergänzend angewendet. Wärmeanwendungen verbessern den Stoffwechsel im Gewebe, regulieren die Muskelspannung, fördern psychische Entspannung und verbessern den Schlaf bei Schmerzpatienten. Beispiele sind Fangopackungen (intensive Wärme) und Heiße Rolle (anpassbare Temperaturen). Die Kältetherapie reduziert die Schmerzwahrnehmung, entzieht dem Körper Wärme und verringert Schwellungen. Später erweitern sich die Gefäße, was die Durchblutung verbessert.
Massagen
Klassische Massagen lösen Verspannungen, verbessern die Durchblutung und reduzieren Schmerzen. Spezielle Formen wie Bindegewebsmassagen oder manuelle Lymphdrainagen unterstützen gezielt bei chronischen Beschwerden.
Akupunktur – sanfte Hilfe aus der Ganzheitsmedizin
In der Traditionellen Chinesischen Medizin gelten Körper und Geist als untrennbare Einheit. Akupunktur wird nicht nur zur Linderung von Schmerzen eingesetzt, sondern auch zur Vorbeugung und zur Förderung des inneren Gleichgewichts.
Akupunktur hat sich sowohl bei akuten als auch chronischen Beschwerden bewährt, etwa bei Kopf- und Rückenschmerzen, Gelenkproblemen, Fibromyalgie, Tumor- oder Zahnschmerzen sowie Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Nervensystems.
Die feinen Nadeln der Akupunktur regen die Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin an – körpereigene Stoffe, die Schmerzen lindern und das Wohlbefinden steigern. Gleichzeitig werden schmerzverarbeitende Bereiche im Gehirn aktiviert. Studien zeigen besonders bei chronischen Rücken- oder Gelenkschmerzen eine deutliche Besserung. Die Behandlung ist gut verträglich, wobei gelegentlich kleine Blutergüsse, kurzfristige Kreislaufschwäche oder eine vorübergehende Erstverschlimmerung auftreten können.
Ergänzende Verfahren wie Laser-, Triggerpunkt- oder Ohrakupunktur können je nach Beschwerdebild sinnvoll sein.
Weitere unterstützende Therapien
Es gibt weitere sanfte, gut verträgliche Verfahren, die oft kombiniert werden:
- Ultraschalltherapie: Tiefenwärme entspannt Muskeln, verbessert die Durchblutung und wirkt entzündungshemmend, etwa bei Muskel-, Sehnen- oder Gelenkbeschwerden.
- TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation): Leichte Stromimpulse blockieren Schmerzsignale in den Nervenbahnen – besonders hilfreich bei chronischen oder nervenbedingten Schmerzen.
- Therapielaser: Aktiviert Zellprozesse, fördert die Durchblutung und unterstützt die Heilung von Sehnenreizungen, Narben oder schlecht regenerierendem Gewebe.
Diese Verfahren sind schmerzfrei, risikoarm und können manchmal sogar auf ärztliche Verordnung hin von der Krankenkasse übernommen werden.
Entspannungstechniken
Entspannungsverfahren sind wichtig bei chronischen Schmerzen. Sie stärken die Selbstkontrolle über den Körper und verringern das Gefühl von Hilflosigkeit. Durch Achtsamkeit und Entspannung lernen Patienten, sich auf sich selbst zu konzentrieren und äußere Reize auszublenden. Das fördert körperliche und seelische Ruhe und durchbricht den Schmerz-Muskelspannungs-Teufelskreis.
Verschiedene Entspannungsverfahren haben sich in der Schmerztherapie etabliert:
- Progressive Muskelrelaxation (PMR): Muskelgruppen anspannen und entspannen, um Entspannung bewusst wahrzunehmen.
- Autogenes Training (AT): Konzentration auf Körperempfindungen wie Wärme oder Schwere zur Entspannung.
- Imaginative Verfahren: Nutzung von Vorstellungsbildern, z. B. Fantasiereisen, zur inneren Beruhigung.
- Achtsamkeit und Meditation: Bewusstes Wahrnehmen des Moments, um Schmerz besser anzunehmen und zu bewältigen.
Diese Übungen verbessern das Wohlbefinden und die Lebensqualität bei Schmerzpatienten; ihre Wirksamkeit ist wissenschaftlich belegt.
Schmerzbewältigung durch psychologische Unterstützung
Chronische Schmerzen belasten Körper und Psyche. Psychologische Verfahren ergänzen die medizinische Therapie, indem sie Körper, Geist und soziale Faktoren einbeziehen, um das Schmerzerleben zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern. Eine umfassende Diagnostik ist dabei wichtig für die individuelle Therapieplanung.
Wichtige Methoden sind:
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Erkennen und Verändern negativer Gedanken und Verhaltensweisen, Förderung aktiver Bewältigung und Stärkung der Selbstwirksamkeit.
- Entspannungstechniken: Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Achtsamkeit und Meditation reduzieren Stress und Schmerzempfindung und fördern das Wohlbefinden.
- Schmerzakzeptanz: Methoden wie Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) helfen, den Schmerz anzunehmen und konstruktiv damit umzugehen.
- Biofeedback: Bewusstes Steuern von Körperprozessen wie Muskelspannung zur Schmerzregulation.
- Tiefenpsychologische Behandlung: Aufarbeitung unbewusster Konflikte und frühkindlicher Erfahrungen, die das Schmerzerleben beeinflussen.
Bewegung, Physiotherapie und Ergotherapie
Regelmäßige, angepasste Bewegung kann Schmerzen lindern, die Muskulatur stärken und die Beweglichkeit fördern – ideal sind zum Beispiel Schwimmen, Radfahren oder Übungen unter Anleitung. Physio- und Ergotherapeuten unterstützen Betroffene dabei, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und alltagstaugliche Strategien zu entwickeln. Physiotherapie verbessert die Beweglichkeit, lindert Schmerzen und fördert die körperliche Fitness, während Ergotherapie die Selbstständigkeit im Alltag stärkt, Aktivitäten anpasst und auch Entspannungstechniken einsetzt. Beide Therapieformen zielen darauf ab, die Teilhabe zu ermöglichen und den Umgang mit chronischen Schmerzen zu erleichtern.
Strukturierter Alltag mit Pausen
Regelmäßige Ruhephasen, eine bewusste Tagesstruktur und realistische Ziele entlasten Körper und Geist. Dabei sollten auch Aktivitäten, die Freude bereiten, nicht fehlen, denn sie fördern die Ausschüttung körpereigener schmerzlindernder Botenstoffe und können die Lebensqualität spürbar verbessern.
Weitere Therapien
Auch komplementäre Therapien – etwa aus der Naturheilkunde, der traditionellen chinesischen Medizin oder der Homöopathie – finden immer häufiger Anwendung. Obwohl ihre Wirksamkeit nicht immer wissenschaftlich belegt ist, berichten viele Schmerzpatienten und -patientinnen von positiven Effekten. Verfahren wie Aromatherapie, Kräuteranwendungen oder sogar medizinischer Cannabis können helfen, Schmerzen ganzheitlich zu begegnen – vorausgesetzt, sie werden verantwortungsvoll und in Absprache mit dem medizinischen Team eingesetzt.
Fazit: Schmerz ernst nehmen – und sich selbst stärken
Chronische Schmerzen beeinflussen Körper, Psyche und Lebensqualität stark. Schmerz ernst zu nehmen heißt, ihn bewusst wahrzunehmen, Muster zu erkennen und aktiv an der Bewältigung mitzuwirken. Ein Schmerztagebuch hilft, Auslöser, Schmerzverlauf und Behandlungserfolge sichtbar zu machen – so gewinnt man mehr Kontrolle im Alltag.
Nur durch bewussten Umgang mit Schmerzen und aktive Selbststärkung lassen sich langfristige Erleichterung und mehr Lebensqualität erreichen – ergänzt durch professionelle Unterstützung und eigene Achtsamkeit.